Claudia und ich kennen uns seit 1984. Kann es einen schöneren Ort der ersten Begegnung geben als den Studentenaufenthaltsraum einer Musikakademie? Natürlich nicht. Denn dort fand die wirklich wichtige Kommunikation statt. Dort wurde das Wissen ausgetauscht, das man dringend brauchte. Das, was man in den Vorlesungen überhört hatte - oder die Vorlesung verpasst hatte? Es musste schließlich auch noch ein Leben gelebt werden. Hallo?
Oder! Und so erging es mir, weil man gerade von Kassel nach Hamburg ans Konservatorium in Sülldorf wechselte. 
Das war ein Kulturschock. Das Hamburger Konservatorium in den 80-ern. Die ersten zwei Student: innen die meinen Weg kreuzten trugen Rodier Paris Rollis, waren wahrscheinlich von Udo Waitz frisiert worden und trugen eine Perlenkette. Mein erster Gedanke: was habe ich getan? Hierher zu wollen? Vorab: ich wollte weg aus Kassel und am KON zu einer bestimmten Dozentin. 
Doch dann! Der erste Schritt in den Aufenthaltsraum. Und alles war gut. Die dritte Begegnung war Claudia! "Hi! Ich bin Claudia! Du bist die Neue - oder?" Jo! So war das! Claudia wurde meine stetige Begleiterin, mein Gehstock für all das was ich in Kassel nie gelernt hatte. Die größte Hürde war der Wechsel von der harmonischen Stufentheorie zur Funktionstheorie. Systematische Musikgeschichte gabs in Kassel auch nicht. ..... eigentlich war dort alles unsystematisch. Kurzum: Claudia kam mit 3 großen Ordnern, übergab mir all ihre Aufzeichnungen und ich büffelte 3 Semester nach. 
Später trat noch eine dritte wesentliche Person in das Duo, der meinen Nachnamen trägt. Nein, in Wirklichkeit ist es natürlich andersrum. 
Es war ein tolle Studienzeit. Besonders die Zeiten im Aufenthaltsraum, beim Italiener und im hauseigenen Imbiss. Was wären wir gewesen ohne die Kaffee-Pipeline von dort und die belegten Brötchen mit Frikadelle und Senf? Nicht vorstellbar. Wir hätten nicht überlebt. 
Weitere wunderbare Erinnerungen waren die hauseigene, superliebe Sekretärin, der immer freundliche Empfang an der Schlüsselausgabe für die Überäume und das akustische Geräusch während der Vorlesungen im 10-Minutentakt, wenn die S-Bahn direkt neben dem KON einfuhr und wieder startete. Das war zuweilen sehr relevant, wenn wir gerade versuchten ein 2-stimmiges Melodiediktat aufzuschreiben. ...... 
Die aller-, allerwichtigsten Erinnerungen gehören aber den großartigen Dozent: innen die wir hatten. Jetzt, während unserer ersten gemeinsamen Kompositions-Session haben wir sie einmal aufgezählt und festgestellt wie viele von Ihnen nicht mehr in dieser Welt sind. Allen voran: Hans-Georg Lotz! Unvergleichlich guter Dozent für Harmonielehre, Formenlehre und Lebensberater. Hedwig Florey: Fantastische Dozentin für Harmonielehre, Gehörbildung und großartige Musikerin. Genial - und entsetzt über meine Unfähgikeit eine Akkordfolge zackig zu hören und zu benennen. Ihr Ausruf: "Ja, hören Sie das denn nicht?!!!!!" Gnade: ich spiele Querflöte. 
Klaus-Peter Hartmann: Institutsleiter und Dozent für Harmonische Analyse. Gefürchtetste Vorlesungen ever. 40 Studierende im Saal und von denen suchte er sich einen Analyse-Partner. Dann gings los. Hugo-Wolff-Lieder,  Schumann, Schubert. Alles was Rang und Namen hatte. Ihr könnt Euch vorstellen, wie plötzlich alle Figuren im Saal auf ihren Stühlen kleiner wurden. In der Hoffnung nicht dran sein zu müssen. Sein bohrender Zeigefinger mit den Worten: "SIE! Müssen das dringend noch üben." "Auf jeden Fall! Mache ich!" Das Gute, von da ab konnte man sagen: Nee, nee, ich war letzte Woche dran.
Prof. Dr. Juliane Ribke war unsere Dozentin für Allgemeine Musikpädagogik. Damals Deutschlands jüngste Professorin der Musikwissenschaft. Sie war jung und sehr korrekt. Nahm die Sache sehr Ernst und war wenig zu Scherzen aufgelegt. War gelegentlich auch nicht einfach mit der Perlenkettenfraktion. Ich empfehle ihr Buch: Elementare Musikerziehung als Persönlichkeitsbildung. 
Manuela Keglevic: Dozentin für Elementare Musikerziehung, damals musikalische Früherziehung. Mit-Autorin des Orff-Schulwerks "Musik und Tanz für Kinder". Das KON war damals eines der besten Ausbildungsinstitute für EME. 
Wie kam ich ans KON? Mein Querflötenlehrer Gerhard Torlitz der mich auf das Studium vorbereitete gab mir die Empfehlung. Sein Fazit: "kostet Studiengebühren, aber eines der besten Ausbildungsinstitute für DML." Ich kann es für die damalige Zeit nur bestätigen. Und heute erlebe ich jeden Tag in meiner Arbeit auf was ich, aus der Hostentasche, alles zurückgreifen kann. 
Und der beste Querflötenlehrer ever? Gerhard Torlitz - Lübeck . Er gab mir die beste Vorbereitung zum Studium. 
Ja, so begann alles. Natürlich gab es da noch das Leben, das gemeistert werden musste. Liebe und andere Katastrophen. 
Dann der Schritt ins wirkliche Leben - ohne KON.  Claudia und ich hatten immer Kontakt, mal mehr mal weniger. Wir heirateten beide, bekammen beide zwei Kinder. Aber wir mussten dann einiges an Schicksalsschlägen durchstehen. Obwohl stehen bleiben zeitweilig fast unmöglich war. Ich ging später noch mal nach Hessen und regenerierte mich dort, baute meine Freiberuflichkeit auf. Claudia fand ihr Refugium im Norden. Aber immer wieder suchten und fanden wir den Kontakt zueinander. Und klar, es gab auch mal Streit. 
Jetzt! Nachdem wir die Steine bearbeitet haben, die man uns in den Weg legte, und nach vielen Jahren der Absicht wieder zusammen Musik zu machen, haben wir es geschafft. Und es ist so so schön. Unsere Challenge? Wir wollen improvisieren, eigene Stücke schreiben. Ausprobieren, Spaß haben, einen Sound finden. Einen Sound mit Querflöten, Klavier, Cembalo .... ? Mal sehen, nein hören natürlich. 
YES! Wir hatten unsere erste Session. Haben den Ground für ein Stück geschrieben. Und wisst Ihr was? Im Geiste saßen wir beide im KON und pfriemelten an Akkorden und versuchten sie funktional in Beziehung zu setzen. Es war toll! Aber nun wird alles mit der Freiheit der Jazz-Harmonik erweitert. FREE-M (Free Music).
2 Stunden haben wir digital zwischen Husum und Hamburg ausprobiert. Jede an ihrem Piano. Sätze wie: Hör mal! Nee, das ist doof! Mach noch mal! Was hast du da gerade gespielt? Das klang gut! Jaaa! Schreib auf! .... und vieles mehr. Dabei kristallisierte sich folgender Satz heraus, den wir beide jetzt schon lieben:
NEEE! Eben war schöner! ::)) 
Na, dann! Dann nehmen wir doch "Eben". 
Herzlichst Christine

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