Im Sommer 1989 erfahren wir über unseren Englisch-Lehrer, dass die Schule eine neue Partnerschule im Mittelwesten hat und im Frühjahr 1990 die erste Austauschgruppe in die USA fliegen kann. Dort angekommen, werden wir wie Wunderkinder begeistert empfangen und verstehen schon bald den Hintergrund dieser Deutschland-Euphorie: Die Berliner Mauer, die Trennungslinie im Kalten Krieg zwischen Ost und West, war seit dem 9.November 1989 geöffnet, alle wollen wissen, wie sich die Deutschen jetzt fühlen. Wir kommen uns vor wie Pioniere, alles ist neu und awesome, von den kitchen tools bis zu grades, credits, lockers und homeroom in der Schule, wie auch für unsere amerikanischen Partner, als sie im Sommer in die Mitte Bayerns kommen und zu Fuß durch die Innenstadt bummeln oder mit dem Rad zur Schule fahren können. Schließlich kommt ein weiterer Höhepunkt für unsere Besucher: Eine Berlinfahrt. Für die meisten ist es die erste Zugfahrt ihres Lebens, von Ingolstadt über die noch vorhandene innerdeutsche Grenze zwischen Bayern und Sachsen, vorbei an den rauchenden Schloten und braungefärbten Häuserfassaden der mitteldeutschen Industriegebiete. Für den Austauschlehrer aus Wisconsin ein Wiedersehen mit der Mauer, deren Bau an der Bernauer Straße er 1961 als Student hautnah erlebte. Ein junior student drückt seinen Traum so aus: “I’d like to break off a chunk of the Berlin Wall and bring it back with me as a remembrance of this trip.” 
Am ersten Tag gehen wir über den Checkpoint Charlie nach Ost-Berlin in die Deutsche Demokratische Republik. Während die deutschen Schüler von den Zollbeamten schon nicht mehr kontrolliert werden, sobald sie ihren grünen Pass zeigen, müssen die Amerikaner als Ausländer noch 5 DM Tagespauschale zahlen, um zum Roten Rathaus und den Alexander Platz in Ost-Berlin zu gelangen. Am nächsten Tag fahren wir frühmorgens mit der S-Bahn Richtung Bernauer Straße, die Haltestelle dort, seit 1961 zugemauert, war plötzlich offen, was uns am Abend bei unserer Rückkehr in die Unterkunft niemand glauben kann. Wir kommen zwischen herumliegenden Abbruchsteinen der provisorisch geöffneten S-Bahn-Station heraus ans Tageslicht und sind plötzlich umringt von Reportern und Kamerateams aus aller Welt, die das Verschwinden der letzten Grenzübergänge auf dem Weg zur Währungsunion am 1. Juli 1990 filmen. Es ist der 13. Juni, der Tag an dem der offizielle Mauerabriss beginnt, als Auftakt für den Abbau aller innerdeutschen Grenzanlagen. An der Bernauer Straße, Brennpunkt der Teilung Berlins, von wo im August 1961 Bilder von zugemauerten Häusern um die Welt gingen, sehen wir mit eigenen Augen, wie jetzt Bagger von allen Seiten die Mauersegmente großflächig niederreißen - für uns ein historischer Moment, ein unvergessliches Erlebnis. Bei ihrer Suche nach Mauerstücken greifen die Schüler zu Hammer und Pickel und nehmen die authentischen Brocken mit, nach Ingolstadt und München bis nach Amerika, wo die Zoll- und Sicherheitsbeamten am Airport immer zwei Augen zudrücken, sobald sie staunend die großen Mauerstücke erblicken. In Milwaukee erzählt man heute noch davon.
 Werner Kundmüller, langjähriger GAPP-Koordinator am CSG

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